Die Bogenführung – Dein erster Strich

Bogenhaltung schön und gut – aber jetzt soll es um die Bogenführung gehen? Ist denn das nicht das Gleiche? Ist denn die Sache aber nicht schon mit der Bogenhaltung genügend behandelt?

Ja, ja, Du hast ja schon viel über die Haltung Deines Bogens gehört. Du hast zum Beispiel gelernt, den Bogen richtig in Deine Finger zu nehmen. Du kennst die Funktionen Deiner Finger am Bogen. Du kennst die Armbewegung.

Letztlich ist das alles aber nur die Darstellung eines Zustandes, den des gehaltenen Bogens.

Der Zweck unserer ganzen Bemühungen ist der, einen schönen und wohl klingenden Bogenstrich hinzubekommen. Und hier geht es um Bewegung!

Und Du wirst gleich noch sehen: Manches, was Du bisher über deine Bogenhaltung gelernt hast, wirst Du beim Führen des Bogens wieder über Bord werfen. Über Bord werfen müssen!

Neugierig über so viel Widersprüchlichkeit?

Na dann lass uns mal beginnen

Mit der Bogenführung behandeln wir heute ein „Basic“, das bis ins Musikstudium hinein immer wieder Thema ist, wenn der Spieler dahin gelangen will, frei und beweglich und gleichzeitig kontrolliert gestaltend auf seinem Instrument zu musizieren.

Kannst Du Dich an den Artikel erinnern, in dem wir die reine Bogenhaltung besprochen haben?

Da ging es zum Einen um die Stellung der Finger am Bogen. Auf der anderen Seite ging es aber um das Spüren des Gewichts, wenn wir den Bogen in verschiedene Richtungen gehalten haben.

Im Prinzip ist es so:

Du kannst einen Bogen so fest in den Fingern halten, dass er Dir nicht aus den Fingern fällt.

Das machst Du automatisch, wenn Du den Bogen in die Hand nimmst und ihn einfach in der Luft hältst.

Damit der Bogen Dir nicht aus der Hand fällt, greifst Du ihn mit den Fingern und hältst unten mit dem Daumen dagegen. Das ist unser natürlicher Greifreflex. Das macht jeder Mensch, so sind wir veranlagt.

Es stellt sich aber beim Streichen auf einem unserer Instrumente heraus, dass diese Art des Greifens nicht wirklich zweckdienlich ist. Der oben beschriebene Griff hat nämlich die Eigenschaft, dass sich unsere Hand beim Greifen der Finger gegen den Daumen verfestigt. Das schränkt während des Spielens die Feinfühligkeit des Musikers ein und mindert die Fähigkeit, den Ton aktiv zu gestalten.

Bogenführung geht anders

Wir wollen doch aber eine Bogenführung, bei der es nicht um ein Festhalten geht, sondern, wie das Wort „Bogenführung“ schon sagt, um ein Führen, ein Steuern, ein Gestalten des Tons mit dem Bogen.

Hierfür brauchen wir etwas anderes. Hier brauchen wir einen Griff, der darauf basiert, dass der Bogen an die Saite hin gestützt, an die Saite hin gehalten wird.

Der gestützte Bogen

Stell Dir einmal vor, Du hast Dein Instrument in den Händen und stellst Deinen Bogen auf die Saiten.

Und jetzt frage ich Dich: auf welchen Punkten steht Dein Bogen, wo wird er von unten unterstützt, damit er nicht auf den Boden fällt?

Kommst Du drauf?

Eigentlich nicht schwer, gell? Er steht einerseits auf der Saite, und andererseits wird er vom Daumen getragen. Dies sind die zwei Punkte, auf denen der Bogen steht.

Jetzt brauchen wir noch einen Finger, der dafür sorgt, dass der Bogen in seinem labilen Gleichgewicht gehalten wird, dass er nicht von diesen zwei kleinen Punkten herunter fällt.

Diese Aufgabe übernimmt der Zeigefinger.

Spüre einmal in Deine Hand hinein. Bemerkst Du den Unterschied? Bemerkst Du, dass jetzt das Gegengreifen aller Finger Deiner Hand gegen den Daumen nicht mehr nötig ist?

Dieses wesentlicher Merkmal ist es, was Dir den Spielraum zur Gestaltung Deines Tons am Instrument eröffnet. Es ist so einfach, und doch wirst Du immer wieder im Zuge Deiner Laufbahn an den Punkt gebracht, wo Du dieses neu beherzigen musst.

Am besten, Du siehst Dir jetzt einmal das Video dazu an.

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Kommen wir zur praktischen Übung

Nimm den Bogen zunächst in Deinem Bogengriff in die Hand und halte ihn senkrecht in die Luft. In dieser Stellung fühlt sich Dein Bogen relativ leicht an.

Nun halte ihn so, wie wenn Du ihn über der Saite Deines Instrumentes tragen würdest.

Das fühlt sich gleich ganz anders an. Spürst Du, wie sein Gewicht vor allem von Deinem kleinen Finger gegengestützt werden muss. Jetzt bemerkst Du erst das Gewicht des Bogens richtig, gell?

Und jetzt wendest Du den Bogen nach außen. Drehe Deine Hand um 180 Grad. Der Bogen ist nun seitlich von Dir weg gerichtet, die Haare des Bogens zeigen nach oben.

Jetzt solltest Du das Gewicht des Bogens auf dem Zeigefinger spüren. Dieses Gefühl der Hand kommt dem schon sehr nahe, wenn Du dich mit dem Bogen auf die Saite aufstützt.

Und das tust Du jetzt auch gleich.

Stütze Dich nun, wie im Video gezeigt mit dem Bogen auf die Saite. Spürst Du, wie der kleine Finger entlastet ist, und wie jetzt der Zeigefinger derjenige ist, der das Gewicht auf den Bogen bringt?

Es geht dabei nicht darum, dass Du Dein volles Armgewicht auf den Bogen drückst. Spüre nur einfach die leichte Entlastung in Deinem Arm, wenn Du den Bogen auf die Saite bringst. Entlastet und beweglich soll sich der Arm nun anfühlen. Wie fühlt sich Deine Schulter an? Liegt sie frei beweglich auf Ihren obersten Rippenbögen? Lässt sie sich bewegen? Was macht Dein Ellbogen? Ist er beweglich? Wie fühlt er sich an? Das ist noch keine Bogenführung, das ist nur die Vorbereitung ohne die sie nie funktionieren kann.

Nun „rollst“ Du mit dem Bogen über die verschiedenen Saiten. Stehe zunächst gestützt auf einer Saite und bewege dann den Bogen, ohne ihn aufzuheben, auf die höchste Saite des Instrumentes und wieder hinunter zur Tiefsten. Mach diese Bewegung mehrmals, biss Du das Gefühl hast, dass Du Dich mit ihrem ganzen Arm und dem Bogen um einen Angelpunkt herum bewegst. Dieser Angelpunkt ist die Stelle, an der der Bogen auf die Saite gestützt ist. Hier soll er völlig frei im Gleichgewicht sehen. Und das Ganze wird zu einer freien Bewegung, wenn Du mit dem ganzen Arm die Bewegung mit vollziehen. Der Ellbogen hebt und senkt sich. Beim Cello geht er mit nach vorne (und leicht nach oben), wenn Du zur höchsten Saite kommst, ebenso beim Kontrabass. Hier wandert der ganze Arm mehr nach vorne als alles andere.

Hebe den Bogen noch ein paar mal von der Saite ab und stütze ihn wieder auf, bis Du den Unterschied zwischen dem getragenen und dem aufgestützten Bogen wirklich spürst. Lass dabei jedes Mal den Arm auf den Bogen sinken. Es ist wirklich ein entspannender Moment, wenn sich der Arm mit dem Bogen auf die Saite aufstützen darf. Und in diesem entspannten Moment geht es los.

Streiche mit dem Bogen

Jetzt streiche in der Mitte des Bogens zügige kleine Striche hin und her. Es kommt auf die Fahrt an, die Dein Bogen aufnimmt. Dein Ton kommt aus der Bewegung heraus, und dass solltest Du gleich merken. Wenn Du möchtest, dann weitest Du die Striche immer mehr aus, bis Du fast mit dem ganzen Bogen hin und her streichst. Dabei werden die Töne etwas länger. Bleibe dabei aber immer im Schwung. Das ist das Allerwichtigste.

Spürst Du jetzt, wie der Bogen an der Saite reibt, wie durch diese Reibung der Ton entsteht, und wie das, was du spürst, fast analog klingt zu dem wie es sich anfühlt? Das was Du jetzt spürst, spürst Du deswegen, weil Du von einer reinen Bogenhaltung zu einer Bogenführung übergegangen bist.

Sobald Du allerdings spürst, dass sich Deine Hand verfestigt, mach bitte eine Pause und fange wieder von vorne an. Es wird zunächst unweigerlich so sein, dass Deine Hand die Tendenz hat, wie der in den gewohnten „Klammergriff“ der Bogenhaltung zurück zu fallen. Das darfst Du ihr nicht verdenken. Dieses Bewegungsmuster hast Du 40 Jahre lang bei fast allem, was Du in die Hand nimmst eintrainiert. Es ist Dein konditioniertes Bewegungsmuster, was Greifen anbelangt.

Ich sag Dir das so eindringlich, weil eine Bogenführung nach der oben beschriebenen Art wirklich ein komplett neues Bewegungsmuster ist. Den Bogen beweglich halten und dabei zu spüren, wie er auf die Saite einwirkt. dies ist die Grundlage für alles Gestalten des Tons.

Und nun wünsche ich Dir viel Freude und viele gute Erfahrungen mit einem beweglichen Bogenstrich.

Felix Seiffert

9 Kommentare

  1. Hallo Felix,
    Wie ist es denn nun, sollten die Haare des Bogens gerade aufliegen oder nur die Kante der Haare aufliegen? Ich habe hier widersprüchliches gelesen. Und falls nur die Kante, in welche Richtung sollte ich denn dann mein Handgelenk drehen? Von mir weg oder zu mir hin?
    Ich freue mich über ihre Antwort

    • Felix Seiffert

      Hallo Wilhelm,

      danke für Deinen Kommentar. Nun um die Antwort auf die Kantung des Bogens geben zu können, müsste ich erst einmal wissen, ob Du ein hohes Streichinstrument (Geige oder Bratsche) oder Cello oder Kontrabass spielst.

      Zunächst einmal grundsätzlich: Ich würde Dir empfehlen, immer ein wenig zu kanten. Auch wenn Du an anderer Stelle eventuell Gegensätzliches liest: Das Instrument klingt immer freier, wenn etwas gekantet wird. Mit allen Haaren unter gleichem Geweicht auf der Saite liegen heißt immer dass man die Saite etwas bremst und so den Ton am freien Schwingen hindert.

      Wie viele Du allerdings kantest, das hängt von Deiner musikalischen Intention ab. Du wirst feiner und dünner klingende Töne immer mit weniger Haaren spielen, als solche, die voller klingen sollen. Hier hast Du sehr viel Gestaltungsspielraum.

      Und in welche Richtung sollst Du nun kanten? Immer so, dass die Haare in Richtung zum Steg zeigen. Wenn Du also hinter einem Cello sitzt, zeigen die Haare weg von Dir (hin zum Steg). Spielst Du hingegen Geige, liegt der Steg zwischen Dir selbst und dem Bogen. Hier hältst Du den Bogen so dass die Haare ebenfalls zum Steg zeigen und damit zu Dir selbst.

      Hab ich Dir etwas weiter helfen können?

      einen herzlichen Gruß,

      Felix Seiffert

  2. Thomas Wyser

    Ich hatte diese Woche die erste Unterrichtsstunde mit dem Cello u d übe nun eifrig bis zur nächsten Lektion. Mit Ausnahme der a-Saite läufts erstaunlich gut mit den leeren Saiten, vor allem bei den zwei tiefen Saiten. Bei der a-Saite stosse ich immer an da linke Knie an mit dem Bogen. Da begreife ich die Bogenhaltung/-führung u d die Bewegung des rechten Arms nicht so gut. Vor allem wenn ich am Frosch mit dem Strich beginnen soll.

    • Felix Seiffert

      Hallo Thomas.

      Wenn Du am Cello sitzt kannst Du es aus Deiner Perspektive beobachten. mach Dir einmal klar, wie der bogen beispielsweise auf der D-Saite stehen kann ohne die A- oder die G-Saite zu berühren. Du wirst merken dass Du dazwischen in der Ausrichtung des Bogens nicht viel Platz hast. Wenn Du jetzt den Bogen auf die A-Saite stellst, dann stelle ihn auch so auf, dass er nicht allzu weit weg von der D-Saite steht. jetzt sollte er nicht Dein Knie oder Oberschenkel berühren. Wenn das gar nicht richtig möglich ist, denke darüber nach, ob Du nicht den Stachel ein wenig länger einstellst. Dann kommt das ganze Cello etwas höher über dem Bein zu liegen.

      herzlichen Gruß

      Felix Seiffert

  3. Hallo Katja, auf der Suche nach quietschfreien Tönen bin ich auf Deinen Blogeintrag gestoßen, finde Deine Anregungen sehr gut und habe dazu ein/zwei Fragen. Mir wurde beim Cellospielen gelernt, nur mit der dem Griffbrett zugeneigten Kante der Haarfläche zu streichen und nicht wie Du es beschreibst. Habe ich da etwas falsch verstanden?
    Und zum anderen habe ich die Angewohnheit meinen kleinen Finger der linken Hand nicht gerundet sondern nur im Fingerenglied abgewinkelt auf die Saiten zu bringen. Muss ich das mir irgendwie abtrainieren und wenn ja: hättest Du da vielleicht einen Tip für mich?
    Vielen Dank schon mal und lieben Gruß
    Mona

    • Felix Seiffert

      Hallo Mona,

      das hast du nicht falsch verstanden. Ich denke auch, dass die Haare immer etwas gekantet gehalten werden. Nur kann man dies auch differenzieren, je nachem, ob maneher laut oder eher fein spielen will. Aber grundsätzlich: Haare immer ein wenig nach vorne halten.

      Zu Deinem 4. Finger: Ja, es wäre gut, wenn du den Finger in allen Gelenken rund halten könntest. Du erreichst es am ehesten, wenn Du mit dem äußeren Teil Diener Hand möglichst nahe zum Griffbrett gehst. In dieser Handstellung würd es Dir übrigens sehr viel leichter fallen, den 1. Finger gut zu strecken.

      herzliche Grüße

      Felix

  4. Lieber Felix, liebe Cellofreunde,

    ich finde diesen Blog-Beitrag einfach genial und möchte gerne auch mal etwas zurückgeben. Und zwar hatte ich besonders zu Anfang immer das Problem, dass es bei mir beim Streichen der A-Saite gequietscht hat. Erst klang der volle Ton, dann quietschte es plötzlich – mal hier, mal da. Ich konnte mir das nicht erklären und bin auch im Internet nicht wirklich fündig geworden. Allen, denen es genauso ergeht, möchte ich diese Liste ans Herz legen, in der Hoffnung, dass sie ihr „Quietsch“-Problem beheben können:

    * vielleicht wird zu nah am Steg (mit zu wenig Druck) gestrichen
    * vielleicht wird nicht im 90-Grad-Winkel zur Saite, also nicht gerade genug gestrichen
    * vielleicht ist der Bogen in der Hand nicht weit genug zur Saite hin eingedreht, so dass die Bogenhaare nicht flächig über die Saite streichen, sondern eigentlich nur die Kante der Bogenhaare
    * vielleicht ist zu wenig Druck auf der Saite, dann den Ellbogen etwas anheben
    * vielleicht ist der Bogen zu fest gespannt
    * vielleicht ist zu wenig Kolophonium auf den Bogenhaaren

    Bei mir war eine Mischung aus den ersten 4 Punkten ausschlaggebend. Ohne Lehrer vorort ist der Anfang schon schwer, auch wenn es hier so tolle und minutiöse Erklärungen gibt. Das ein oder andere Detail bemerkt man dann doch nicht. Und es hilft wirklich sehr, wenn jemand anderes mal schaut, ob man wirklich gerade streicht…

    Die Quietsch-Töne scheinen mir übrigens die Obertöne zu sein. Man hört also nicht den „richtigen“ Ton der Saite, sondern nur die Obertöne.

    Viele Grüße
    Katja

    • Max Zach

      Liebe Katja,
      Vielen Dank für Deine Tipps.
      Ich spiele schon seit Jahren ein wenig Kontrabass und habe genau diese
      Probleme beim Streichen mit einem kratzigen Ton. Im Internet konnte ich
      diesbezüglich auch nichts finden. Das sollte jetzt besser werden.

      Danke und Gruß
      Max

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