Greifen auf dem Cello – wie erlangt man Unabhängigkeit der Finger?

Liebe Leser,

In diesem Beitrag möchte ich gerne einmal auf die Zuschrift von Herrn Pelzer eingehen.

Herr Pelzer schrieb:

„Hallo Herr Seiffert, vorab vielen Dank für Ihre vielen sehr hilfreichen Tipps. Seit etwa 6 Monaten lerne ich Cello ohne Lehrer. Folgende Hürde ist dabei aufgetaucht: 1. und 2. Finger liegen auf e und f  1. Lage D-Saite. Jetzt soll g und danach fis gespielt werden. Versuche ich jetzt den 3. und 4. Finger zusammen aufzusetzen, berühre ich mit dem 3. Finger zuerst fis, was insbesondere beim Legato zum falschen Ton führt. Setze ich erst nur den 4. Finger auf g, dann landet der 3. Finger anschliessend zu eng zum 2. Finger, also fis zu tief. Das liegt vielleicht auch daran, dass meine Finger relativ kurz und noch nicht elastisch genug bzw. nicht unabhängig genug sind. Haben Sie hier einen Tipp oder eine spezielle Fingerübung? Ich freue mich sehr auf Ihre Antwort.“

Wenn Sie anfangen, Cello zu spielen, werden Sie ganz bestimmt in genau diese Lage kommen, die Herr Pelzer beschreibt.

Es ist in der Tat so, dass Sie, wenn Sie Cello lernen, die Unabhängigkeit Ihrer Finger trainieren müssen. Bei den anderen Streichinstrumenten hat man ähnliche Dinge zu bewältigen, aber bleiben wir zunächst einmal beim Cello.

Wenn Sie auf einem Griffbrett eines Streichinstruments greifen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, den Ton um feine Nuancen zu verändern. Schon die kleinste Veränderung der Fingerstellung, etwa wenn Sie den Finger ein klein wenig über die Saite rollen, bewirkt eine Veränderung der Tonhöhe. Nun können Sie sich auch vorstellen, dass es beim Greifen von Tönen auf einem Streichinstrument auf Millimeterarbeit ankommt.

Bitte erschrecken Sie nicht, das kann man lernen! Ihre Finger und Ihre Ohren werden mit der Zeit so feinfühlig werden, dass Sie auf kleinste Veränderungen der Tonhöhe reagieren und einen Ton, der nicht sofort stimmt, in Bruchteilen einer Sekunde korrigieren können.

Aber zunächst müssen Wir einmal etwas für die Unabhängigkeit Ihrer Finger grundsätzlich tun.

Beim Cello geht es zunächst einmal darum, dass Sie Ihre vier Finger in gleiche Abstände bringen. Genau, wie Herr Pelzer oben beschrieben hat, stehen die vier Finger auf der D-Saite auf den Tönen e, f, fis, und g. Diese Töne liegen jeweils genau einen Halbton voneinander entfernt, sodass man nun eine Fingerstellung finden sollte, bei der alle vier Finger gleich weit voneinander entfernt stehen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Und hier geht die Schwierigkeit los. Ihre Finger werden das nicht ganz freiwillig mitmachen. Jedenfalls wird es Ihnen so gehen, wenn Sie nicht gerade riesige Hände haben.

Meistens wird es Ihnen so gehen, wie es mir persönlich auch geht, dass nämlich die mittleren beiden Finger, also der Mittel- und der Ringfinger,in entspanntem Zustand etwas enger beieinander stehen als die anderen Finger.
Es wird beim Greifen also darum gehen, dass Sie mit Ihrer Willenskraft und mit einigem Training den Mittelfinger (2. Finger) nah genug zum Zeigefinger (1. Finger) stellen und gleichzeitig den Ringfinger (3. Finger) dem kleinen Finger (4 Finger) annähern.

Hierfür ist ein Prinzip wichtig. Üben Sie das deutliche Heben des Fingers, bevor Sie ihn aufsetzten (besser gesagt aufklopfen). Wenn Sie einen Finger heben während Sie andere Finger auf dem Griffbrett liegen lassen, werden Sie merken, dass dieser Finger von den anderen unabhängig wird.

Diese Aufgabenstellung steht in scheinbarem Widerspruch zu den Forderungen, die man sonst an eine schnell bewegliche Hand stellt. Normalerweise wird nämlich gefordert, dass man mit den Fingern möglichst dicht über der Saite schweben solle, um schnell und präzise den Finger auf die Saite stelle zu können.

Was Sie aber zunächst brauchen, ist Bewegungsfreiheit und Freiheit der Finger untereinander. Und die bekommen Sie indem Sie sich Bewegungsraum schaffen. Heben Sie Ihre Finger also so hoch wie es irgend geht. Sie werden sich über kurz oder lang über die Resultate Ihrer Bemühungen freuen.

Und nun im Einzelnen zu einer Fingerübung für Ihre Unabhängigkeit:

Stellen Sie zunächst Ihrer Finger der Reihe nach auf der D-Saite auf.

1 – 2 – 3 – 4

Testen Sie danach die Tonhöhe des vierten Fingers, indem Sie den erreichten Ton mit der leeren G-Saite vergleichen.

Nebenbei: eine PDF Datei mit den hier beschriebenen Übungen als Noten bekommen Sie, wenn Sie hier klicken.  Unabhaengigkeit der Finger auf dem Cello

Nun geht es darum, mit mehreren Fingern gleichzeitig aufzusetzen, und dabei alle Finger auf ihren richtigen Platz zu bringen.

Spielen Sie hierzu die Fingerfolge

0 – 2 – 1 – 3 – 2 – 4 – 3.

Merken Sie, dass es gar nicht so einfach ist, den 3. Finger mit dem 4. Finger zusammen aufzusetzen und dabei auch seine Stellung wirklich zu treffen? Versuchen Sie einmal, schon in der Luft diese beiden Finger möglichst nahe zusammen zu halten. Dann wird es recht bald gelingen.

Als nächstes noch zwei Übungen die speziell auf die Stellung des 2. und des 3. Fingers abzielen.

Zunächst für den 2. Finger:

0 – 2 – 1 – 2 – 1 – 4 – 2 – 4

Und dann noch die analoge Übung für den 3. Finger:

0 – 3 – 1 – 3 – 1 – 4 – 3 – 4

Wenn Sie diese Übungen langsam durchspielen haben Sie die Möglichkeit der ganz unmittelbaren Kontrolle Ihrer Finger. Machen Sie das so lange es notwendig ist, um die Töne wirklich zu treffen.

Wenn sie sich nach einer Weile sicherer fühlen, dann beschleunigen Sie die Übung etwas, genau so wie sie es in der PDF Datei lesen können.

Ihre Finger müssen es auch lernen, schnell auf Ihre Willensimpulse zu reagieren.

Und damit wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei ihren Übungen

herzliche Grüße

Felix Seiffert

 

 

6 Kommentare

  1. Lieber Herr Seifert,
    erstmal vielen Dank für die vielen hilfreichen Hinweise und Tipps.
    Ich hatte bisher weniger Probleme mit der Unabhängigkeit der Finger. Jetzt bin ich auf ein Problem gestoßen, wo ich alleine nicht weiterkomme. Eine Figur von Vivaldi auf G und d-Saite -zuerst eine Achtel H, dann zwei Sechzehntel g und f und dann wieder eine Achtel H. Ich komme aus der 4. Lage, aufgrund der nachfolgenden Noten mag ich die Figur in der 1. Lage sprich 3-4-2-3 spielen.
    Mein Problem, der dritte Finger macht schlapp…lasse ich den dritten Finger auf der G-Saite ist das g nicht sauber; nehme ich den dritten Finger mit rüber auf die d-Saite bleibt er leider einfach erschlagen auf der Saite liegen auch wenn ich ein f spielen will (unabhängig davon dass man die Entlastung der G-Saite hört).
    Auch wenn ich das im Schnecken-Tempo übe, will es nicht immer funktionieren, eher Zufallserfolg wenn es klappt.

    Was kann ich tun? Haben Sie einen Tipp für mich.
    Viele Grüße, Katta

    • Hallo Katta,

      was Sie beschreiben, ist ein typisches Problem des 3. Fingers. Er ist nicht so unabhängig vom 2. Finger wie man sich wünschen sollte.

      Zum Einen würde ich vorschlagen, ein kleines Klopftraining mit dem 3. Finger zu veranstalten. Lassen Sie den 1. und 2. Finger auf der D-Saite stehen und klopfen Sie mit dem 3. Finger auf seinen Ton. Spielen Sie so etwas wie einen langsamen Triller. Dann klopfen Sie aber auch mit dem 3. Finger auf der A- und der G-Saite, wobei die ersten zwei Finger immer noch auf der D-Saite stehen. Kontrollieren Sie einmal bitte dabei Ihren Daumen. Er sollte von unten nicht gegen drücken, vor allem nicht dann, wenn der 3. Finger klopft. Geht das?

      Und jetzt versuchen Sie es noch einmal mit Ihrer Figur. Eventuell müssen sie diese vorbereitende Übung auch noch einmal mit dem 4. Finger durchexerzieren, wobei dann 3 Finger auf der D-Saite stehen bleiben.

      viel Erfolg und herzliche Grüße

      Felix Seiffert

  2. Lieber Herr Seifert,

    seit 3 Tagen habe ich wohl das schönste Instrument der Welt bei mir zu Hause stehen und gehe endlich der Verwirklichung eines lang geträumten Traumes nach: Cello zu spielen. Da es nun in der knappen Vorweihnachtszeit so viel zu tun gibt muss ich es bis Januar ohne Unterrichtsstunden aushalten und bin glücklicherweise auf Ihre Seite gestoßen. Ihre Erklärungen sind äußerst hilfreich und dank Ihnen kann ich mich schon einmal in sinnvoller Art und Weise an das Instrument heran fühlen. Ihre Fingerübungen sind ein grandioser Tipp und ich glaube mir einzubilden dass sich schon nach diesen wenigen Tagen ein kleiner Erfolg einstellt. Ich bedanke mich herzlich für Ihre tolle Arbeit!!!

  3. Lieber Felix Seiffert,

    ich habe vor Kurzem mit dem Cellospiel begonnen und befinde mich in ebendieser fingermisslichen Lage. Die vielen Tipps an dieser Stelle und der ebenso immer informative Newsletter sind mir dabei zu einem, inzwischen unerlässlichen, Quell der Nützlichkeiten geworden. Vielen lieben Dank dafür.
    Bedauerlicherweise führt der Link der in diesem Artikel erwähnten PDF-Datei „Unabhängigkeit der Finger auf dem Cello“ ins Leere.

    Allerbest
    Petra S.

    • Na, das freut mich aber, wenn diese Artikel wirklich nützlich sind, und wenn sie auch genützt werden.
      Sehen Sie einmal in Ihrer Mailbox nach, ich habe da die Datei hinterlegt. Andererseits verstehe ich es nciht ganz, das muss eventuell ein Problem des Browsers sein. Bei mir funktioniert der Download einwandfrei, ich verwende den Firefox.

      herzlichst

      Felix Seiffert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert