Kolophonium – oder warum Sie sich um die Beschaffenheit Ihres Bogens kümmern sollten

Aus aktuellem Anlass möchte ich diesen Blogbeitrag einmal einer oft vernachlässigten Frage bezüglich des Umgangs mit dem Bogen widmen.

Als letzte Woche die Schule wieder begann, und ich das erste Mal meine Streicherklassen und deren Instrumente wieder sah, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Die Streicherklässler benutzen fast kein Kolophonium!

Sie machen sich keine Begriffe! Wenn man nach so einer Ferienpause zurück kommt sind auf einmal alle Bögen vollkommen glattgespielt, und man wundert sich, wie da überhaupt so etwas wie ein Klang aus dem Instrument kommen soll.

Nun kann man Kindern eine gewisse Nachlässigkeit verzeihen, das ist einfach so bei Kindern, dass sie einfach drauflos spielen und gar nicht merken, was um sie herum passiert.

Allerdings ist diese Beobachtung Anlass genug, sich einmal über das Für und Wider des Gebrauchs von Kolophonium zu unterhalten.

Haben Sie einmal ein mikroskopisches Foto eines Haares gesehen? Haare sind genau betrachtet gar nicht so glatt, wie man immer meinen möchte. Sie haben an ihrer Oberfläche viele kleine Schuppen, die ein solches Haar wie eine kleine Raspel aussehen lassen.

Diese Struktur eines Haares, (in unserem Falle eines Pferdehaares und bestenfalls eines mongolischen Schimmelhaares) ermöglicht es, dass die Haare, die auf einem Bogen aufgespannt sind, die Saiten eines Streichinstruments zum Schwingen bringen können.

Würden Sie allerdings einen frisch bezogenen Bogen mit vollkommen unbehandelten Haaren über die Saiten einer Geige streichen wäre das klangliche Resultat mehr als unbefriedigend. Sie würden so gut wie gar nichts hören.

Damit die Haare auf dem Instrument nun überhaupt einen Ton zum Klingen bringen können, müssen die Haare mit Kolophonium bestrichen werden. Kolophonium ist ein sehr festes Harz, das in kleinen Packungen entweder in Pappschachteln, oder eingefasst in Aluminiumbehälter, oder auch einfach in ein Tuch eingewickelt, erhältlich ist.

Kolophonium wird je nach Instrument unterschiedlich zusammengestellt. So haben beispielsweise die kleineren Instrumente insgesamt härteres Kolophonium. Die tiefen Bassinstrumente wie das Cello oder der Kontrabass, haben eher weiches klebriges Kolophonium. Bei diesen Instrumenten muss der Bogen klebriger sein, um die schweren und trägen Saiten in Schwingung bringen zu können.

Wenn Sie sich vorstellen wollen, wie das Anstreichen einer Saite funktioniert, dann sollten Sie sich noch einmal das mikroskopische Bild der Haare vor Augen halten. Nun hat das Haar diese Schuppen, und zudem ist es mit einer Schicht von Kolophoniumpulver überzogen. Kolophonium reibt sich beim Einstreichen des Bogens zu einem Pulver ab, das später auf dem Bogen liegen bleibt. Wird er Bogen nun zum Streichen auf dem Instrument benutzt, verklebt sich das Kolophonium durch die feine Reibungswärme, die beim Streichen entsteht, mit den Haaren.

Mit diesen Eigenschaften ausgestattet sind nun die Haare des Bogens so griffig, dass sie die Saiten des Instrumentes etwas vorspannen können. Legen Sie also einen Bogen auf eine Saite Ihres Instrumentes und geben ein wenig Gewicht, so werden sie ganz leicht die Saite ein paar Millimeter nach rechts und links bewegen können, ohne das die Saite unter dem Bogen zum Schwingen kommt.

Versuchen Sie nun über diesen Punkt hinaus zu gehen und die Saite noch weiter zu spannen, wird irgendwann der Punkt erreicht sein, wo die Haftung des Bogens nicht mehr ausreicht um die Saite in ihrer Spannung fest zu halten. Die Saite wird sich aus der Haftung verabschieden und zu schwingen anfangen.

Streichen Sie nun mit dem Bogen weiter über die Saite können Sie sich vorstellen, dass der Vorgang des Spannens der Saite und des Auslassens viele Male in der Sekunde wiederholt wird. Jedes Mal, wenn die Saite durchgeschwungen ist, wird sie von den Bogenhaaren neu erfasst, wieder gespannt und für eine neue Schwingung losgelassen. Streichen ist also sozusagen ein sehr schnell wiederholtes Anzupfen einer Saite mit dem Bogen.

Stellen Sie sich nun einmal vor, was wäre, wenn sie wenig Kolophonium auf dem Bogen hätten. Sie würden merken, wie der Bogen auf einmal nicht mehr so gut die Saite angreift. Und – Sie würden dieses beim Spielen mit mehr Druck des Bogens auf die Saite zu kompensieren versuchen. Das ist die ganz natürliche Reaktion eines jeden Spielers, wenn der Bogen nicht mehr greift.

Leider passiert in diesem Fall eines: Jetzt werden beim Spielen die kleinen Schuppen auf den Bogenhaaren mehr belastet, da sie mehr oder weniger allein die Funktion des Anpackens der Saite übernehmen müssen. Und diese kleinen Schuppen nützen sich dabei ab. Sie nützen sich natürlich auch beim Streichen mit Kolophonium ab, weshalb man von Zeit zu Zeit einen neuen Bogenbezug einfach braucht. Allerdings nützen sie sich ohne Kolophonium und mit verstärktem Bogendruck um so mehr ab.

Merken Sie, worauf ich hinaus will?

Wenn Sie mit dem Kolophonium sparen, tun Sie sich keinen Gefallen. Sie tun weder sich einen Gefallen, da sich Ihr Spiel um vieles anstrengender und ungelenker gestaltet, als wenn der Bogen die Saite gut angreift. Außerdem ruinieren Sie in kürzester Zeit Ihre Bogenhaare. Und die sind teuer. Sie müssen heute für einen Bogenbezug je nach Instrument und auch je n ach Geigenbauer etwa zwischen 50,- und 80,- € rechnen. Ein Stück Kolophonium hingegen ist billigsten Falles schon für 3,- € zu haben. Hier gibt es allerdings auch große Abweichungen. Je nach Marke kann man auch für ein Stück Kolophonium bis zu 30,- € hinlegen.

Wenn Sie gerade das Instrument zu spielen beginnen, würde ich Ihnen empfehlen, vor allem genügend Kolophonium anzuwenden. Machen Sie sich nicht allzu viele Gedanken über die Qualität und den Preis des Kolophoniums. Mit der Zeit werden Sie merken dass das eine oder andere Kolophonium sich für Sie besser streicht. Manche Geige braucht ein etwas härteres, manche ein etwas weicheres Kolophonium. Am Anfang werden Sie aber noch gar nicht so sehr die Unterschiede merken, da Sie viel zu sehr mit Ihren eigenen Bewegungen und ihrer Koordinierung beschäftigt sind.
Mit Ihrem steigenden Können werden Sie auch merken, dass Ihr Bedürfnis nach klanglicher Verwirklichung Ihrer Vorstellungen steigt, und irgendwann werden die klanglichen Eigenschaften verschiedener Kolophoniumsorten für Sie auch eine Rolle spielen.

Zunächst ist das aber nicht so wichtig. Eines sollten Sie sich allerdings gönnen. Kaufen Sie sich jedes Jahr ein neues Kolophonium und werfen sie das Alte in den Müll. Egal wie weit Sie das alte Stück abgenutzt haben: nach einem Jahr sind die harzigen Bestandteile aus dem Kolophonium verdunstet, das gute Stück wird spröde und der Klang hart. Zeit für ein Neues.

Sollten Sie in Ihrem Geigenkasten daher ein altes Kolophonium finden, das irgendwann einmal jemand benutzt haben mag, Sie aber keine Ahnung haben, wie alt es ist: Werfen Sie es getrost in den Müll, kaufen Sie sich ein Neues. Sie tun sich damit den größten Gefallen und kommen in den Genuss eines frisch kolophonierten und gut greifenden Bogens.

Viel Erfolg bei Ihren klanglichen Erfahrungen mit diesen neuen Bedingungen wünscht Ihnen

Felix Seiffert

12 Kommentare

  1. Ich bin Neuling am Cello und hatte mich nach dem Hinweis gerichtet, alle 1-2 Tage vor dem Üben zu kolophonieren (ca. 3 x den Bogen entlang). Der Ton wurde immer kratziger und jetzt stellte mein Geigenbauer fest, dass es viel zu viel Kolophonium war. Er meinte bei täglich 1/2 – 1 Std. üben maximal (!) 1x pro Woche kolophonieren reicht.
    Schöne Grüße
    Petra

    • Felix Seiffert

      Hallo Petra,

      da muss ich mich bei Dir für meinen Artikel wohl entschuldigen. Ich habe ihn im Blick auf meine vielen Schüler geschrieben, die das Kolophonieren ständig vergessen.

      Ich benutze mein Kolophonium auch täglich aber in der Menge, wie es meinem Bogen gut tut. 2 bis 3 Striche am Tag genügen.

      herzliche Grüße

      Felix Seiffert

  2. Michael Reitz

    Lieber Herr Felix Seiffert, ich bin Wiedereinsteiger an der Geige nach 40 Jahren Pause und habe wöchentlich Unterricht. Die Entwicklung am Instrument war rasant.
    Jetzt zum Kolophonium.Wenn ich mit der Tonqualität mal unzufrieden war, schob meine Lehrerin dies häufig auf zu viel Kolophonium. Wenn ich mir aber Ihr Video anschaue, muß ich sagen. so viel Kolophonium hatte ich nie auf dem Bogen. Ich verwende es ausgesprochen selten, z.B. alle 2 Wochen.Ich finde bei mir auch nie den Abrieb auf der Decke. Daher meine Frage: Wie häufig kolophonieren Sie Ihren Bogen? Täglich, oder richten Sie sich nach der Griffigkeit des Bogens? Für Ihre Antwort wäre ich dankbar.

    Michael Reitz

    • Hallo Herr Reitz,

      es ist tatsächlich so, dass ich einfach am Bogen spüre, ob ich Kolphonium brauche. man merkt es daran, wie sehr man auf dem Bogen Gewicht geben muss um die Saite anzustreichen. Mit genügend Kolophonium und guten Bogenhaaren braucht man sehr wenig Bogengewicht und kann so einen schönen leichten Ton produzieren. Werden die Haare älter braucht man dafür mehr Kolophonium. Also kann ich Ihnen nur einen Richtwert nennen, wenn ich sage, dass ich an einem durchschnittlichen Unterrichtstag mit etwas 8 Unterrichtseinheiten zwei bis drei mal Kolophonium brauche. Aber das breauche ich auf jeden Fall.

      herzliche Grüße

      Felix Seiffert

      • Michael Reitz

        Vielen Dank lieber Herr Seiffert,
        ich weiß jetzt,daß ich offensichtlich zu wenig Kolophonium aufgebracht habe, was manche Probleme mit dem Ansprechen der Saiten erklärt .

        Vielen Dank

        Michael Reitz

  3. Vielen Dank für diesen Artikel! Die Saiten meines Kontrabasses verkleben nach ein paar Minuten. Ich habe mich schon gefragt, woran das liegt. Das günstige Zeugs taugt wohl nichts …

    • Hallo Herr Schneider,

      versuchen Sie bitte einmal zunächst die Saiten mit Saitenreiniger oder Spiritus (auch nichts anderes) zu putzen. Bringen Sie aber bitte nichts von dem Zeug auf den lack Ihres Instrumentes. Und dann kolphonieren Sie den Bogen neu ein und probieren es einmal aus wie es geht. Könnte sein, dass die Saiten dann nciht mehr so schnell verkleben.

      herzliche Grüße
      Felix Seiffert

  4. Danke das war eine Meldung die angekommen ist. Zwar kein eifriger Schüler, aber was will man, das Cello soll mir etwas geben, saubere Töne, mich entrücken vom Alltag, lernen muss ich selber wie und wo ich vorwärtskomme wobei ich schon allein am Wort meine Zweifel hab.
    Nur in einer Sache hab ich keine Zweifel, das Cello ist ein Musikinstrument das enorm viel auslösen kann.
    Nächste Woche bin ich in der Stadt, es muss ein neues Stück Kolophonium her egal wie alt das Alte ist. Gruss und alles Gute im Neuen Jahr, bleiben Sie weiterhin so aufstellend wie bis anhin.
    Alfred Casutt

  5. An sich ist es doch gut, wenn Kinder einfach drauf los spielen und alles vergessen, was um ihnen geschieht. Sie sind dann eins mit der Musik und folgen jedem Klang, der aus dem Instrument ertönt.

    • Vollkommen richtig,

      trotzdem kann man ihnen ja mit etwas Kolophonium ein wenig unter die Arme greifen. Dann haben sie noch mehr Freude daran.

      herzlichst

      Felix Seiffert

  6. Vielen Dank für die anschauliche Beschreibung! Ich habe oft das Gefühl, daß das Thema Kolophonium gerne überbewertet wird – so kam mein kleiner Bratschenschüler (der seit ca. 8 Wochen in der Schule in einer „Musikklasse“ ist) letztens zum Unterricht und fratge nach meinem Kolophonium. Ich zeigte ihm meine Schachtel, es ist dieselbe, die er auch hat. Er war überrascht und meinte, sein Musiklehrer in der Schule hätte gesagt, er soll sich „besseres“ Kolophonium kaufen, dann würde er auch besser spielen. Ich bin mir allerdings sicher, daß tägliches Üben erstmal besser hilft…;-)
    Ähnliche Diskussionen über den Einfluß des Kolophoniums auf das Spielen fand ich in diversen Internetforen. Es wurde sogar von Kolophoniumsorten berichtet, denen Partikel verschiedener Metalle zugesetzt werden (Goldstaub macht angeblich einen weichen Klang, Kupferstaub einen warmen etc…). Haben Sie da Erfahrungen? Oder geht das in Richtung Quacksalberei?
    Viele Grüße, Julie

    • Hallo Lulie,

      Ja, ich habe in der Tat solche Erfahrungen bemacht und habe über einige Jahre das sogenannte „Liebenzeller “ Kolophonium benutzt. Un dich kann es bestätigen, dass verschiedene Matalleinlagen sich tatsächlich auf den Ton auswirken. Ein Silber Kolophonium klingt tatsächlich im Ton „silbriger“ also heller als das Gold-Kolophonium.
      Allerdings bin ich mit der Zeit dazu übergegangen, mich mehr auf das eigene Üben und einen gefühlvollen Zugang zum Ton zu kümmern, anstatt ständig mit sochen Hilfsmitteln herum zu experimentieren.
      Aber diees Kolophoniumsorten sind tatsächlich ein einteressantes Experimentierfeld und wer sich da gerne hinein begeben möchte und auch etwas Geld in solche Sorten anlegen will, (man braucht ja doch mehrere zum Vergleich, sonst merkt man es nicht) der möge es gerne Tun.

      viele Grüße

      Felix Seiffert

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