Spiccato – Basketball mit dem Bogen

Spiccato will trainiert sein, aber so kannst Du in schnellen Passagen jeden Ton klar und deutlich hervor holen.

Bist Du einmal in diese Lage gekommen? Du übst eine Passage in einem barocken oder klassischen Stück. Es kommen viele Achtel hintereinander vor.

Und jetzt übst Du die Passage, aber sie klingt, zäh, und will nicht recht vom Fleck. Irgendwann  spielt Dir ein Lehrer oder ein anderer großer Könner die Stelle vor. Und bei ihm klingt das Ganze ungemein leicht und virtuos. Die Töne perlen nur so daher und sind jeder für sich deutlich zu hören.

Jetzt solltest Du Spiccato lernen!

Spiccare (itaienisch) heißt „werfen“. Spiccato ist also das Spielen mit „geworfenem Bogen“

Ein ganz neues Kapitel wird aufgeschlagen.

Warum sollst Du den Bogen eigentlich werfen?

Schnelle Passagen mit vielen gleichlangen Noten sollen artikuliert klingen. Es soll beim Zuhörer das Gefühl entstehen, dass er in ihrer schnellen Folge jede einzelne Note deutlich angestoßen hört. Im Gegensatz dazu stände zum Beispiel das gebundene Spiel, in dem die Noten ineinanderfließen.

Also: Deutlich sollen sie sich anhören. Daher brauchen die Noten einen Startimpuls. Und diesen Impuls gibt der Bogen durch das Auftreffen auf die Saite, wenn er vorher in der Luft gehalten wurde.

Ja, ich weiß, wir haben in einem früheren Artikel auch darüber gesprochen, dass der Startimpuls aus dem liegenden Bogen, der mit Gewicht auf der Saite, entsteht. Aber das funktioniert beim schnellen Spiel nicht mehr. Du hast zwischen den Tönen nicht mehr genug Zeit, um mit dem Bogen fest auf der Saite stehen zu bleiben.

Sieh Dir einmal im Video an, wie es funktioniert:

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Daher jetzt also der geworfene Bogen:

Weißt Du, wie Du damit beginnst? Du setzt Dich damit auseinander, was die Stange für eine Spannkraft hat. Dein Bogen ist in der Lage auf der Saite zu hüpfen wie auf einem Trampolin. Zum einen gibt die Saite in ihrer Spannung federnd nach, und zum Anderen ist der Bogen durch seine Bauart bestens zu Springen geeignet. (im Grunde ist er sogar besser zum Springen geeignet, als zum liegenden Streichen)

Erste Übung: die Sprungkraft des Bogens

Halte den Bogen in der Luft über der Saite und lass ihn (sehr beweglich gehalten, aber ohne das er Dir aus der Hand fällt) auf die Saite fallen. Tu dies so, dass der Bogen etwa im Bereich zwischen seiner Mitte und seinem Schwerpunkt auf die Saite fällt. Du wirst sehen, dass er sich verhält wie ein Ball. Er hüpft auf die Saite und kommt wieder hoch, dann kehrt er zur Saite zurück und hüpft etwas weniger hoch. Das wiederholt sich viele Male und dabei wird der Bogen immer schneller und immer flacher hüpfen, bis er schließlich auf der Saite stehen bleibt. Ist das nicht genau das gleiche Verhalten wie bei einem Ball?

Diese Eigenschaft des Bogens machst Du Dir nun zu Nutze. Wenn Du allerdings viele schnelle  Noten in gleichförmiger Geschwindigkeit über eine längere Zeit spielen willst, musst Du dem immer flacheren und immer schnelleren Hüpfen entgegenwirken. Und das machst Du, indem Du mit dem Bogen spielst wie mit einem Basketball.

Zweite Übung: (Basketball spielen)

Kennst Du die Hauptregel beim Basketball? „Keine drei Schritte mit einem getragenen Ball“ (oberstes Gebot)

Dieses umgeht der Spieler, indem er den Ball beim Laufen immer wieder auf den Bogen „prellt“. Er gibt dem Ball dabei immer wieder einen Impuls aus der Hand, damit der Ball mit neuer Energie auf den Boden trifft. So kommt er auch immer wieder zuverlässig zum Spieler zurück.

Und genau dieses tust Du mit dem Bogen, wenn Du Dein Spiccato in Gang bringst. Versuche es einmal: Mit der Spannung zwischen Zeigefinger und Daumen Deiner Bogenhand kannst Du dem Bogen immer neue Impulse gegen die Saite geben.

Lass ihn einmal hüpfen wie in der ersten Übung. Und jetzt gibst Du dem Bogen die besagten Impulse. Du wirst merken, dass jetzt der Bogen gleichmäßig immer wieder nach oben zurückkehrt.

Was Du allerdings so noch nicht hörst, ist ein Ton.

Dritte Übung: jetzt mit Ton!

Ein Ton kommt ja beim Streichen dadurch zustande, dass der Bogen auf der Saite streicht. Dein Arm macht dabei eine Bewegung nach rechts und links. Und diese Bewegung brauchst Du auch beim Spiccato. Sie wird dabei recht klein ausfallen, je nach Tongebung, aber dazu später.

Zunächst ist es wichtig, dass Dein Arm überhaupt in die Streichbewegung kommt. In dem Bereich, in dem Du auf die Saite triffst, (also zwischen Mitte und Schwerpunkt s.o.) wird die Streichbewegung durch den Oberarm ausgeführt. Dies ist die Bewegung, die einen Strich des Bogens genau quer zur Saite gewährleistet. Sie bringt die Saite am besten zum Klingen.

Probiere es einmal aus: Bringe zuerst den Bogen in ein gleichmäßiges Hüpfen, wie und er letzten Übung. Und jetzt machst Du kleine Bewegungen nach rechts und links mit Deinem Ellbogen. Dein Bogen wird dabei die Flugbahn einer Parabel haben. Hörst Du einen Ton? Oder pfeift und kratzt die Saite nur?

Eines musst Du wissen: Da Dein Bogen beim Spiccato nur sehr kurz auf der Saite verweilt, kannst Du auch nur eine sehr kleine Streichbewegung ausführen. Alles, was Du zu viel an Streichbewegung machst, hat den gleichen Effekt, wie wenn Du nahe am Steg schnell streichen willst. Du erinnerst Dich an den Artikel mit den Bogengeschwindigkeiten?

Also streiche in minimalen Bewegungen, und Du wirst herausbekommen, wie die Saite auch beim Spiccato richtig zum Klingen gebracht wird.

Wenn Du dieses geschafft hast, solltest Du Dir selbst zunächst ein großes Lob erteilen. Du schaffst damit nämlich einen akrobatischen Akt auf Deinem Instrument. Das Spiccato zählt schon zu den gehobeneren Stricharten, die viel Übung verlangen und immer weiter gepflegt werden wollen.

Wir wollen die Sache aber diesmal noch um einen Punkt erweitern und die Tonansprache etwas differenzieren.

Vierte Übung: die Verfeinerung des Tons

Weißt Du, wie man einen Basketball dazu bringt, weniger zu hüpfen?

Jetzt kannst Du über die verschiedensten Prelltechniken nachdenken. Aber es ist ganz einfach. Du musst nur etwas Luft aus dem Ball lassen, dann hüpft er weniger.

Jeder Trainer im Sportunterricht würde jetzt protestieren, aber beim Streichen mit dem Bogen, oder besser gesagt, bei Spiccato tun wir genau das.

Wenn Du mit dem Bogen auf der Saite hüpfst, macht es einen großen Unterschied, ob Du mit aufgestelltem Bogen mit allen Haaren auf der Saite ankommst, oder nicht. Der Bogen verliert an Spannkraft, je mehr er in gekanteter Stellung auf die Saite auftrifft.

Mache Dir beim Streichen einmal den Unterschied klar, in dem Du jetzt mit liegendem Bogen die Saite anstreichst. Stelle dazu den Bogen zunächst mit allen Haaren auf der Saite auf. Beim liegenden Strich wirst Du dabei einen etwas harten störrischen Ton zustande bringen. Machst Du die Gegenprobe und kantest den Bogen, wird Dein Ton weicher.

Jetzt probierst Du es einmal beim Spiccato. Merkst Du, wie sich der Bogen auf einmal viel weicher auf der Saite verhält, wenn Du ihn kantest? Die Flugbahn des Bogens gleicht nun eher einer flachen Schüssel, als einer hohen Parabel. Der Bogen hebt sich nur wenig von der Saite ab, dafür vereint er länger auf der Saite und der Strich wird breiter und weicher.

Soviel heute zu einer Strichart mit dem Bogen, zu der es noch vieles zu erzählen gibt. Dieses Thema wird mindestens noch einen Blogartikel füllen. Aber ich glaube: Du hast erst einmal zu tun.

Viele Gute Erfahrungen mit diesem Strich!

Felix Seiffert

P.S.: Ach bei dieser Gelegenheit: schreib doch einmal etwas über Deine Erfahrung mit dem Spiccato. Wie ist es Dir ergangen, als Du damit zum ersten mal konfrontiert warst? In welche Situation bist du gekommen, und wie hast du sie gelöst? Dein Beitrag würde die Auseinandersetzung hier für uns alle sehr fördern.

  

7 Kommentare

  1. Jule Hofer

    Lieber Felix,
    ich stehe vor der Aufnahmeprüfung zu einem relativ guten Orchester, wofür man unter anderem eine Etüde mit Spiccato Vorspielen muss(ich bin jugendlich). Diese Etüde wird im 180er Tempo gespielt und die Stäbe sitzen alle, nur das Spiccato bekomme ich wirklich einfach nicht hin? Gibts da nen Tipp für?

    • Felix Seiffert

      Hallo Jule,

      zuerst einmal wäre es zu fragen, ob Du da Achtel spielst oder Sechzehntel. Und ist das Tempo 180 auf Viertel bezogen? Wenn Du Viertel mit 180 Schlägen hast, gehen Sechzehntel nicht mehr im Spiccato. Bei Achteln wäre es etwas anderes. Die gehen d sehr gut. Was Dich hinaus wirft ist meist die Tatsache, dass Saitenwechsel dazwischen sind. Daher folgender Vorschlag. Spiels das Stück so, dass Du jedes Achtel 3 mal hintereinander spielst. Dadurch bekommst du mehr Ruhe in Deinen Ablauf. Wenn das funktioniert spiele das erste Achtel einmal und das zweite drei mal. Und so weiter. Dann drehst Du den Rhythmus um und spielst das erste drei mal und das zweite einmal.

      erst danach versuchst Du es wieder etwas langsamer so wie es steht.

      Kommst Du voran?

      herzliche Grüße

      Felix

  2. Birgit Seefelder

    Lieber Felix,

    kann es sein, dass man statt „spiccato“ auch „saltato“ sagen kann? Oder bezeichnet dieser Begriff eine andere Strichart?

    Vielen Dank im Voraus und schöne Grüße

    Birgit

    • Felix Seiffert

      Saltando oder frz. Sautillé bezeichnet den „tänzelnden“ Bogen. Hier hebt sich der Bogen auch ab, aber die Sache funktioniert bei schnelleren Passagen als beim Spiccato (dem „geworfenen“ Strich). Technisch gesehen ist diese Strichart auch ganz anders anzupacken als das Spiccato.

      ganz herzliche Grüße

      Felix Seiffert

  3. Lieber Felix,
    von Herzen Dank für diese wunderbare Demonstration.
    Hat mir sehr geholfen.

    Herzliche Grüße
    Hannelore

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