Was machen Ihre Finger? oder: Befolgen Sie gerne Regeln, die Sie nicht einsehen?

Sie spielen seit geraumer Zeit auf Ihrem Instrument. Nun kommen Sie in die Situation, in der Sie sich wundern, warum eine Passage einfach nicht sauber klingen will, oder warum Ihre Finger einfach nicht im Rhythmus laufen wollen. Und das passiert Ihnen nicht nur bei einer einzigen Passage, nein das passiert Ihnen ständig.

Sie tüfteln herum und finden es einfach nicht heraus.

Kennen Sie das?

Es ist zum Verzweifeln. Sie glauben schon fast daran, dass Sie einfach nicht begabt genug für Ihr Instrument sind. (Was einem da nicht alles im Kopf herum geht)

Aber ziemlich sicher haben Sie bei der ganzen Sache nur ein winziges Detail übersehen, das Ihnen diese ganzen Mühen bereitet hat.
Und dieses Detail übersehen sehr viele Anfänger. (Definieren wir hier mal Anfänger als Spieler, die mit Ihrem Instrument seit weniger als drei Jahren umgehen)
Sie übersehen es, weil sie hier, angeleitet durch ihren Lehrer, eine Handlung vollziehen müssen, die sie nicht einsehen können.
Irgendwie geht es doch auch ohne diese „Schikane“ die ihnen ihr Lehrer auferlegt. Und wer tut schon gerne Sachen, die er nicht einsieht.

Können Sie sich denken, um was es geht?

Versuchen wir es einmal so:

Möchten Sie saubere Töne greifen, brauchen Sie für Ihre Finger die richtige Orientierung auf dem Griffbrett. Übrigens ist das saubere Treffen von Tönen auf einem Griffbrett eines Streichinstruments Millimeterarbeit. Sie müssen es also irgendwie zustande bringen, Ihre Finger auf den Millimeter genau auf einen Punkt zu stellen. Und nun gibt es je nach Instrument und Griffart durch aus verschiedene Stellen, an denen Ihr Finger zu liegen kommt. Schon in der ersten Lage haben Sie beispielsweise für jeden Finger auf jeder Saite mindestens zwei verschiedene Stellungen. Diese Stellungen sollten Sie zielsicher treffen können.

Dämmert es?

Ein weiteres Argument:

Je nachdem, was Sie für ein Instrument spielen, werden Sie in der Lage sein, dass Ihre Finger mehr oder weniger Kraft aufwenden müssen, um die Saite auf das Griffbrett zu drücken und den Ton nun sauber und klangvoll abzugreifen. Dies fällt natürlich bei einer Geige nicht so sehr ins Gewicht wie beispielsweise bei einem Cello oder einem Kontrabass. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dies durchaus ein Faktor ist, der die Geläufigkeit der Finger beeinflusst.

Die Geläufigkeit Ihrer Finger ist entscheidend davon abhängig, wie viel Kraft Sie aufwenden müssen um die Saite abzugreifen. Es geht ja darum einerseits pünktlich eine Saite zu greifen, aber auch schnell und energisch die Finger auch wieder von der Saite weg zu bekommen, wenn Sie einen anderen Ton spielen wollen.

Kommen Sie jetzt drauf?

Noch ein kleiner Hinweis um das Rätsel zu lösen: Klavierspieler tun genau dieses nicht!

Nebenbei tun sich daher auch manche Pianisten genau mit diesem Punkt schwer, wenn Sie ein Streichinstrument erlernen wollen.

Immer noch nicht klar, worum es geht?

Und jetzt das Dümmste:

Wenn Sie erfahrenen Instrumentalisten zusehen, wie sie Melodien ausformen und mit Vibrato spielen, dann werden Sie sehen, dass jetzt diese Regel außer Kraft gesetzt worden ist. Dinge gibt‘s! Aber wenn Sie einmal genau hin sehen, dann werden Sie merken, dass eben jene Profis in dem Moment, wo sie schnelle Läufe spielen, diese Technik doch wieder anwenden.

Aber jetzt wird es wohl Zeit für das Video

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Meine eindringliche Bitte an Sie:

Bitte nehmen Sie diese Regel wirklich ernst.
Es wird Sie bestimmt einiges an Überwindung kosten, bis Sie sich das Liegenlassen der Finger unterhalb des Spielfingers eintrainiert haben. Aber Ihre gesamte Geläufigkeit und Ihre Intonation hängen entscheidend von diesem Umgang mit Ihren Fingern ab.

Steht bereits einer Ihrer Finger auf dem Griffbrett (nehmen wir zum Beispiel einmal den 1. Finger) dann ist es für einen anderen Finger um ein Vielfaches leichter einen anderen Ton zu treffen. Es stellt sich ein ganz bestimmtes Gefühl für den Abstand dieser beiden Finger auf dem Griffbrett ein. Der Sinn, der dies ermöglicht, wir Ihr „kinästhetischer Sinn“ genannt. Es ist der Bewegungssinn, der Ihnen ermöglicht, Körpererfahrungen zu machen und auch abzuspeichern. Mit Hilfe dieses Sinns, „kennen Ihre Finger“ das Gefühl wenn Sie beispielsweise ein e‘ mit dem 1. und ein fis‘ mit dem 2. Finger greifen. Sie können sich nun auf das Treffen dieser Töne wesentlich besser verlassen, als wenn Sie versuchen würden, diese Töne im „Adlersuchsystem“ einzeln auf dem Griffbrett zu erhaschen. Können Sie es sich jetzt vorstellen?

Also achten Sie beim Üben bitte einmal auf Folgendes:

  • Finger, die unterhalb eines Spielfingers liegen sollten grundsätzlich mit diesem Spielfinger zusammen die Saite niederhalten. Die Finger sollten dabei auf den zu der aktuellen Tonart passenden Plätzen stehen.
  • Wenn Sie eine Bewegung vom 1. zum 3. Finger machen, sollten Sie spüren, wie der 2. mit dem 3. Finger zusammen auf die Saite aufklopfen. Ds gleiche gilt natürlich auch für alle anderen erdenklichen Fingerkombinationen.
  • Auch das Abheben der Finger sollte energisch mit allen Fingern gleichzeitig stattfinden.
  • Manchmal, wenn Sie in einer Melodie die Saite wechseln kann es sein, dass einer oder mehrere Finger auf einer Saite stehen bleiben, während sich der Finger der als nächstes gebraucht wird, auf die neue Saite begibt. Auch dieses fördert die Intonation, da auch hier die Finger die genauen Abstände zueinander spüren können.

Sie merken schon, ich bin hier derjenige, der mit Engelszungen versucht, Sie zu dieser scheinbar so umständlichen Greifweise zu überreden. Aber ich tu es gerne, schließlich werden Sie sich nach einiger Zeit sehr gerne daran erinnern, dass Sie es damit geschafft haben Ihre Hand gut und sicher auf dem Griffbrett zu positionieren.

Und damit wünsche ich Ihnen wieder einmal:

Viel Erfolg und viel Vergnügen bei Ihren Experimenten!

Felix Seiffert

6 Kommentare

  1. Die Frage des konkreten Greifen hatte ich mir auch vor ein paar Tagen gestellt. Ich hoffe damit bekomme ich das Greifen beim Saitenwechsel in Verbindung mit dem 3.Finger hin.
    Vielen Dank für Ihre Mühe. Sven

  2. Aniko Zacharias

    Oh weh! Vielen Dank, für diese hilfreiche Erklärung, obgleich ich wohl jetzt ziemlich viel üben muss, um Bewegungen auszumerzen, die ich mir seit meinem 16. Lebensjahr bis heute mit 31 angeeignet und für völlig logisch gehalten habe. Vielleicht komme ich mit diesem wichtigen Hinweis, jetzt wo ich mir vorgenommen habe das Geigenspiel wieder ernsthafter zu verfolgen, auch auf autodidaktischem Wege deutlich weiter in meinen Bemühungen – und wenn nicht, dann habe ich in Ihrem sympathischen Beispiel genügend Motivation gefunden, vielleicht doch einmal den Weg in eine Musikschule zu wagen.

    Vielen Dank für Ihre Beiträge – ich werde Ihren neulich entdeckten Blog auf jeden Fall mit großem Interesse weiter lesen.

    • Liebe Aniko,

      ja, ich weiß, manchmal merkt man dass man jahre lang etwas vernachlässigt hat, was einem später das legen am Instrument schwer macht. Aber nur Mut. Man kann so gut wie alles umtrainieren und bei solch komplizierten Bewegungsabläufen gibt es immer ein Tempo, das langsam genug ist um aktiv die kontrolle auf die Finger auszuüben und sich die Sache ganz anders anzulegen.
      Man kann es immer wieer schaffen. Und wenn Sie da durch sind …. stehen Ihnen andere Möglichkeiten offen.

      Alles Gute dabei

      F.Seiffert

  3. Anna Bolika :)

    Man kann das natürlich sehen wie man will, aber für mich ist diese Griffweise mehr als sinnvoll, weswegen ich auch kein Problem habe das einzusehen.
    Zum Einen ‚merken‘ sich dadurch die Finger wo sie hingehören und zum Anderen spart es eine Menge Kraft, weswegen man beim Spiel viel flexibler und lockerer wird.
    Gerade Kontrabassisten würden sich einen abbrechen, wenn sie diese Technik nicht anwenden würden und ich habe auch noch keinen gesehen der das nicht macht. Auf der Geige ist zwar der benötigte Druck nicht so groß, aber die Technik ist trotzdem extrem hilfreich und somit sinnvoll.

    Und eins noch:
    Vielen Dank dafür das Du Dein Wissen mit der Welt teilst. Es ist nicht selbstverständlich das sich jemand hinsetzt und sich die Arbeit macht einen Blog als Hilfestellung für Anfänger zu schreiben ! Und das völlig selbstlos wohlgemerkt !

    Also im Namen aller lernwilligen Anfänger:
    Danke, Danke und nochmals Danke !

  4. Anna Bolika :)

    Man kann das natürlich sehen wie man will, aber für mich ist diese Griffweise mehr als sinnvoll, weswegen ich auch kein Problem habe das einzusehen.
    Zum Einen ‚merken‘ sich dadurch die Finger wo sie hingehören und zum Anderen spart es eine Menge Kraft, weswegen man beim Spiel viel flexibler und lockerer wird.
    Gerade Kontrabassisten würden sich einen abbrechen, wenn sie diese Technik nicht anwenden würden und ich habe auch noch keinen gesehen der das nicht macht. Auf der Geige ist zwar der benötigte Druck nicht so groß, aber die Technik ist trotzdem extrem hilfreich und somit sinnvoll.

    Und eins noch:
    Vielen Dank dafür das Du Dein Wissen mit der Welt teilst. Es ist nicht selbstverständlich das sich jemand hinsetzt und sich die Arbeit macht einen Blog als Hilfestellung für Anfänger schreibt ! Und das völlig selbstlos wohlgemerkt !

    Also im Namen aller lernwilligen Anfänger:
    Danke, Danke und nochmals Danke !

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